Leseproben Wolf-Dieter Brandl
"Die vererbte Post
– Eine nicht ganz ernst gemeinte
Entwicklungsgeschichte des Postwesens bis zum letzten Erbpostmeister
von Stammersdorf"
1. Was dieser Text sein sollte – und was er geworden ist
Als Bewohner der Clessgasse in Wien-Floridsdorf stellt man sich
früher oder später die Frage, wer denn diese
Persönlichkeit Cless war, die der Straße selbstlos ihren
Namen gegeben hat. Mit dem „Lexikon der Wiener
Straßennamen“ von Peter Autengruber kann dieses Rätsel
rasch gelöst werden. 1956 wurde die damalige Berggasse auf den
Namen von Ernst Cless, dem letzten Erbpostmeister von Stammersdorf,
umgetauft. Und da dann diese Clessgasse auch noch in die Erbpostgasse
mündet, ist das Interesse an diesem Herrn Cless und an der
Funktion der Erbpostmeister an und für sich rasch geweckt.
Bei weiterem Graben in der Materie ergibt sich jedoch sofort ein neues
Rätsel: In den historischen Unterlagen war ein Heinrich Cless der
letzte Träger dieser Funktion. Sollte sich die Stadt Wien
tatsächlich geirrt haben, als sie Ernst Cless die Ehre einer
eigenen Straße zukommen ließ? Das sollte doch einmal
hinterfragt werden, und na- türlich auch viele andere Details, die
mit der Person und dem hohen Amt einhergingen.
Die Informationen dazu im Wiener Stadt- und Landesarchiv sind leider
nur spärlich. Aus den Akten kann nicht mehr nachvollzogen werden,
warum die Berggasse gerade im Jahr 1956 in Clessgasse umbenannt wurde,
man geht davon aus, dass damals der Straßenname Berggasse in Wien
mehrfach vorkam und daher eine Umbenennung sinnvoll erschien, um
Verwirrung bei den Straßensuchenden zu vermeiden. Aber immerhin
stellte es sich bei diesen Recherchen heraus, dass die Gasse nach
Heinrich und nicht nach Ernst Cless benannt ist. Entweder hat sich der
verdienstvolle Autengruber bei seinen Angaben geirrt, oder diese
bedeutende Persönlichkeit der Stammersdorfer Postgeschichte trug
vielleicht beide Vornamen.
Derselbe Lapsus ist übrigens auch dem sonst so verlässlichen
Franz Polly in seiner „Heimatkunde Stammersdorf“
unterlaufen: Unter den Erbpostmeistern fungiert bei ihm Heinrich Cless,
unter der Erläuterung der Straßennamen dann Ernst Cless (mit
identischem Geburts- und Todesjahr).
Trotz einiger Bemühungen war die weitere historische Suche nur
wenig erfolgreich. Weder in der Nationalbibliothek noch in der
Hauptbibliothek der Stadt Wien gibt es zum Stichwort Cless irgendwelche
Unterlagen. Und in dem 1913 vom k.k.Hofrat Eduard Effenberger
verfassten Standardwerk „Geschichte der Österreichischen
Post“ findet weder das Amt der Stammersdorfer Erbpostmeister noch
der Name Cless Erwähnung. Auch das sonst allwissende Internet
bietet leider gar nichts an.
Da wollte ich nun eine lokalhistorische Lücke schließen und
die Geschichte des letzten Stammersdorfer Erbpostmeisters Heinrich
(oder Ernst Heinrich?) Cless darstellen, und stand vor dem Dilemma,
darüber zu wenig Material vorzufinden. Was ich nach diesen
Recherchen über Herrn Cless und seine Funktion wirklich hätte
berichten können, hätte wohl maximal fünf Seiten
benötigt.
So entschloss ich mich zu einer radikalen Änderung der
Zielrichtung dieses Textes. Zunächst einmal sollte ganz allgemein
die Entwicklungsgeschichte des Postwesens erläutert werden, und
dann im besonderen diejenige des Postwesens in Österreich, um
schlussendlich in der Person des letzten Erbpostmeisters von
Stammersdorf zu kulminieren. Und wenn dieser Herr Cless, der eigentlich
für meine ganze Suche nach historischen Fakten verantwortlich war,
nun auch nicht am Beginn dieses Textes stehen kann, so hat er doch am
Schluss noch einen kurzen Auftritt.
Gerne gestehe ich, dass mir die mit diesem Text zusammenhängenden
Arbeiten schon vom Moment der Recherche her bis zum Guss der dabei
erzielten Ergebnisse in ein hoffentlich halbwegs lesbares Resultat
großen Spaß gemacht haben. Falls der Leser diesen
Spaß auch bei der Lektüre hat, würde es mich sehr
freuen. Und er möge mir die vielen scheinbaren Sackgassen und
Umwege verzeihen, die mich oft zu Nebenthemen abgelenkt,
schließlich aber doch immer wieder zur Post
zurückgeführt haben.
Der Leser sollte unbedingt eines beachten: Was er hier vor sich hat,
ist nur bedingt ein auf unumstößlichen Fakten beruhendes
Sachbuch. Natürlich habe ich mich bemüht, die historischen
Bezüge korrekt wiederzugeben. Welcher Unterlagen ich mich dabei
bedient habe, kann dem Quellenverzeichnis in der Anlage entnommen
werden. Die Schlüsse, die ich aus diesen Fakten gezogen habe, die
Vermutungen, die ich bei Lücken im Informationsgeflecht angestellt
habe, die vielleicht nicht immer ganz logischen Brücken, mit denen
ich das Ganze zu einem durchgehenden und möglichst plausiblen Text
verbunden habe: Das alles ist weitgehend ein Produkt meiner Fantasie
und dadurch mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht zur Gänze
Realität, sondern auch zu einem Gutteil Fiktion. Daher hier
nochmals meine bereits im Untertitel ausgesprochene Warnung: Der Leser
möge das alles nicht ganz so ernst nehmen – es kann manchmal
auch ganz anders gewesen sein!
Übrigens: Die Post verdankt ihren Namen den Lateinern, bei denen
der Standort für den Pferdewechsel posita hieß. Daraus
wurden im Deutschen dann die Posten, bei denen Kuriere mit frischen
Pferden stationiert waren, die späteren Poststationen. Leider geht
auch ein in der heutigen politischen Unkultur vielfach gebrauchter
Ausdruck auf die Situation im auslaufenden Mittelalter zurück: der
Postenschacher. Damals war das noch wörtlich zu verstehen, da
vielfach lukrative Poststationen an den Meistbietenden verschachert
wurden. Heute sind es Posten im Sinne von einträglichen
Beschäftigungsverhältnissen, die von politischen Machthabern
oder deren Beiwagerln an diejenigen vergeben werden, die sich für
die Eigeninteressen von Parteien oder Funktionären als
nützlich erwiesen haben, wobei nicht vollkommen ausgeschlossen
werden soll, dass zuweilen auch für die Aufgabe Qualifizierte
durch dieses System der Seilschaften zum Zuge kommen können. In
mancher Beziehung hat sich eben seit dem Mittelalter nicht allzu viel
geändert.
........................
Kaiser Hadrian, der von 117 bis 138 regierte, griff zu einer Methode,
die auch heute noch gerne angewandt wird, wenn die Privatwirtschaft
Mist gebaut hat: Er verstaatlichte das römische Postwesen.
Zunächst einmal ließ er Poststationen errichten, die mansio,
deren Name sich noch im englischen Mansion House erhalten hat. Das
waren die Unterkünfte für die Reisenden der kaiserlichen
Post, die in Abständen von etwa 37 Kilometern Pferde und Maultiere
zum Wechsel zur Verfügung stellten und die sogar Tierärzte
unter Vertrag hatten. Mit dem praefectus praetorio wurde ein
Oberaufseher der Staatspost geschaffen, dem die Postaufseher für
die einzelnen Provinzen, die praefecti vehiculorum unterstanden, denen
wieder die Postmeister der einzelnen Poststationen, die mancipes,
unterstellt waren.
.......................................
In den Paulusbriefen ging es im wesentlichen darum, den
heiden-christlichen Gemeinden auch nach Abreise des missionierenden
Apostels Ratschläge oder auch Vorschriften für den
Glaubensdienst zu erteilen. Oft bezog Paulus sich dabei auf das
Eindringen von Fremdmissionaren in diese Gebiete, die von den
Heidenchristen wieder die Beschneidung und die Einhaltung aller
rituellen Gebote des Judentums verlangen wollten. Paulus stellte in den
Briefen in vielfacher Weise seine theologische Position dar und
rügte auch ent- sprechend nachhaltig, wenn das erforderlich war.
So war es im Brief an die Korinther sicher unbedingt erforderlich,
höhere moralische Ansprüche zu stellen. Korinth war damals
eine Stadt der Aus- schweifung mit immerhin 600.000 Einwohnern, davon
ein Drittel Sklaven. Insbesondere das ungehemmte Sexleben der Stadt war
berüchtigt, und das durfte von gläubigen Christen
natürlich nicht akzeptiert werden. In diesem Zusammenhang war
Paulus auch die noch immer großflächig verehrte Artemis von
Ephesus ein beson- deres Ärgernis. Die Statue dieser Göttin,
mit einer Unzahl von nackten Brüsten bedeckt, passte so gar nicht
in die neuen Glaubensideale. Heute hat die Forschung allerdings auch
schon andere Auslegungen für diesen elitären Schmuck der
Fruchtbarkeitsgöttin gefunden, die aber teilweise auch nicht ganz
zimmerrein sind.
Ende der Leseprobe