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Leseproben   Ida Koller-Andorf
Hebbel – Mensch und Dichter im Werk –
Folge 12: Humanität und Realität im Werk Friedrich Hebbels

Ohne Titel
Ohne Tit ISBN  978-3-900044-54-1

Angaben zu Ida Koller-Andorf:
Seit 1972 Herausgeberin der Hebbel-Mitteilungen,
seit 1981 Präsidentin der Int. Friedrich Hebbel-Gesellschaft Wien,
seit 1983 Veranstalterin von 10 Symposien, 7 Ausstellungen, 6 Preisausschreiben;
seit 1985 Herausgabe d. wissenschaftl. Schriftenreihe "Hebbel – Mensch und Dichter im Werk"


Ohne Titel
Hauptbeschreibung

Die Wiener Initiatoren des Jubiläumssymposions 2013 wählten den Titel Hebbel im Lichte des 21. Jahrhunderts, die Hebbel-Gesellschaft Wesselburen e. V. erweiterte diese auf Mission Kunst. Das gut besuchte Symposion konnten Wissenschaftler u. a. aus Japan, China und den USA bereichern. Schwerpunkt bildeten die Beiträge von Saeko Ishikawa-Beyerstedt und Hans Günter Thalheim. Die „tiefschürfende Seelenkenntnis“ Friedrich Hebbels wurde insbesondere im lyrischen Werk durch Wolfgang Düsing hervorgehoben.

Vollendung und Erstaufführung durch das Wiener Volkstheater wurden lange Zeit übergangen, wie man auch lange die Nibelungen-Aufführungen gemieden hat, um sich nicht politisch tendenziöser Kritik auszusetzen.
Eine Einheit mit dem wissenschaftlichen Beitrag von Hans Günter Thalheim und die Ergänzung des Dramas durch den Wiener Dramaturgen Hans Schwarz bilden einen großartigen Schwerpunkt dieser Ausgabe.

Die Kritik am Zeittheater ergänzt mit persönlich erlebten Theateraufführungen den Bogen, der sich bis zu Hebbels Lebensende spannt. Die auf allen Gebieten sichtbar werdenden Umwälzungen entsprechen der Weitsicht des Dichters der Zeitenwende. Sein nicht nur realer, sondern auch metaphysischer Weitblick als „Individualist“ (vgl. Biographie 2018) reichen ins Zeitlose. Seine Dramen sind daher keine Geschichts- sondern Menschheitsdramen. Diese Erkenntnis entspricht Hebbels Auffassung von Sittlichkeit als Notwendigkeit.
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Einführung oder Vorwort
 
Der hier vorgelegte Band ... erscheint wohl später als gedacht, doch zu besonderer Zeit. Er enthält Referate des Jubiläumssymposions 2013 (200. Geburtstag, 150. Todestag). Zugleich sind 75 Jahre vergangen seit der Erstaufführung von Hebbels Demetrius in der Vollendung des Dramaturgen und Schriftstellers Hans Schwarz aus Wien.
 
Wie sich gezeigt hat, wurde dem Werk weniger Aufmerksamkeit gewidmet als anderen Dramen Hebbels, da man die 5 Akte noch immer als Fragment bezeichnet hat. Dies trifft bei Schillers Demetrius, von dem nur 1 1⁄2 Akte vorliegen, zu. So blieb auch die Frage nach Demetrius, während des Symposions mehrmals gestellt, unbeantwortet, trotz des anwesenden internationalen Fachpublikums! Dagegen hat Judith dominiert, was zum Jahr der Frau ein positives Signal sein kann.

Ferner wird in Germanistenkreisen noch immer das Thema diskutiert, ob Hebbel Früh-, Spät- oder überhaupt Realist sei. Der Einreihung in diese kleine Gruppe verdankt er ebenfalls, dass er gelegentlich übersehen wird. Seine eigene Abgrenzung müsste eigentlich genügend Aufschluss darüber gegeben haben:
Realismus und Idealismus, wie vereinigen sie sich in Drama? Dadurch, daß man jenen steigert und diesen schwächt. Ein Charakter z. B. handle und spreche nie über seine Welt hinaus, aber für das, was in seiner Welt möglich ist, finde er die reinste Form und den edelsten Ausdruck, selbst der Bauer. (Tgb. 5328).
Die künstlerische Phantasie ist eben das Organ, welches diejenigen Tiefen der Welt erschöpft, die den übrigen Fakultäten unzugänglich sind, und meine Anschauungsweise setzt demnach an die Stelle eines falschen Realismus, der den Teil für das Ganze nimmt, nur den wahren, der auch das mit umfaßt, was nicht auf der Oberfläche liegt. (Tgb. 6133).
 
Die Gedichte Hebbels nehmen einen besonderen Platz ein. Er selbst schätzte sie so hoch, dass er bisweilen annahm, dass diese seine Dramen überleben könnten. Wolfgang Düsings Beitrag gilt überzeitlich für alle Künstler, die auf dem Weg ihrer Berufung folgend ein Martyrium durchleben mussten, andererseits das Bewusstsein einer höheren Gnade empfangen haben.
Es muss in diesem Zusammenhang immer wieder auf Tilo A. Alt, Illinos, hingewiesen werden, der in seinen Aufsätzen (s. WHSR. 6, S. 65ff.) und dass, wenn schon Realismus, nur ein partieller Realismus bei Hebbel festzustellen sei.
 
Es ist daher von seiner Humanität auszugehen, wie am Ende des unvollendeten Werkes Demetrius, wo sich der Kreis zu Hebbels Humanitätsbegriff schließt. Diese humane Einstellung zeigt sich bereits in seiner Novelle Anna, die er im Alter von 22 Jahren verfasst hat. (Heute ein Problem der noch immer herrschenden sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz). Der rote Faden zieht sich von hier über Maria Magdalena bis zu Mutter und Kind. Vom Teilen wird vielfach gesprochen, wo die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklafft. Bei Hebbel vollzieht sich die Versöhnung in Mutter und Kind.
 
Die Hebbel-Rezeption musste lange auf Saeko Ishikawa-Beyerstedt warten, die mit ihrem Beitrag Hebbels Einfluss auf die Moderne (gedruckt Tectum-Verlag 2014) als umfassende wissenschaftliche Publikation) einen grundlegenden Fortschritt zur Rezeption geleistet hat.
 
Es scheint, dass die große Zukunft Hebbels noch vor uns liegt, wo der Osten – folgend der fernere Osten – mehr Verständnis und die Notwendigkeit einer Verbreitung Hebbels schon erkannt wird.
Der bisher ungedruckte Beitrag von Hans Günther Thalheim wurde aus einem früheren Symposion gehortet, um diesen zum großen vorgeplanten Thema Demetrius zu veröffentlichen. Auch hierzu wurde bisher ein derart aufklärender Aufsatz nicht geboten, der sogar ohne postmoderne neue Wortschöpfungen auskommt. Der Verfasser schließt mit Hebbels Bekenntnis, seine Verantwortung für sein Gefolge wahrzunehmen:
 
Ich bin der Kapitän auf einem Schiff,

Das scheitert;
rasch ins sichre Boot mit euch,
Dann zünde ich die Pulverkammer an.
 
Ein Beitrag widmet sich der Erstaufführung des von Hans Schwarz vollendeten Demetrius 1942 in Wien, wo alle namhaften Wiener Bühnen Hebbel-Werke spielten. Es wurden mehrere Versuche unternommen, Hebbels Demetrius zu vollenden.
 
Der erste stammt von Ludwig Goldhann, der mit Hebbel näher bekannt war. Hier wird Marfa als Gefangene und die echte Mutter Barbara vor den Sarg des ermordeten Kindes Demetrius geschleppt, als Marfa schwören soll, dass Demetrius ihr Sohn sei, was ihr nicht möglich ist, wird sie von Otrepiep erstochen.

Mehr als zwanzig Jahre danach versuchte Franz Martersteig, Dramaturg am Burgtheater, das Werk zu Ende zu führen. Hier will Demetrius die Wahrheit gar nicht verbergen. Vor dem Sarg des Kindes Demetrius bricht die Mutter, Marfa zusammen. Demetrius bezeichnet sich selbst als gerichtet. Otrepiep schießt ihn nieder; dieser wird aber danach von Schuiskoi erstochen.
Bald darauf erfolgte von Heinrich Tefeles eine ins Opernhafte gestaltete Szene. Der feierliche Krönungsakt wird vollzogen; Schuiskoi erhebt Einspruch dagegen. Demetrius behauptet sich und beruft sich auf die Bestätigung durch Marfa. Als diese aber am Sarg niedersinkt, krönt er sich selbst „Kraft eigenen Rechtes”. Otrepiep stürmt hervor und ersticht den Neugekrönten.
 
Otto Harnak hat 1909 versucht, das Fragment zu Ende zu führen. Demetrius will nur die Seinen in Sicherheit bringen. Er wehrt sich bis zuletzt gegen Schuiskoi, obwohl er bereits auf den Thron verzichtet hat und tritt diesem mit Gefolge und dem Schwert in der Hand entgegen, worauf er von Otrepiep aus dem Hinterhalt erschossen wird. Zwei Kugeln treffen ihn tödlich.
Weitere Versuche folgten, die aber wenig Beachtung gefunden haben (Klassiker, Ausgabe Fritz Enss/Karl Scheffer, Hg. Franz Zinkernagel Bd. 5, S. 479).

Ende der Leseprobe
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