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Leseproben
    Rudolf Reischütz    "Familiäres und Ungereimtes"  84 Seiten, 34 Gedichte und Geschichten

Oma bummt nicht

Es ist jetzt schon ungefähr fünf Jahre her, es war eine wunderschöne Zeit. Mein Wutzi kam jeden Tag nach Dornbach zur Omi und ich durfte mit ihm den ganzen Tag spielen. Ich darf mit ruhigem Gewissen „mein Wutzi“ sagen, denn alle anderen sagen Konsti oder Konstantin zu ihm, aber bei mir hört er gerne auf den Namen Wutzi, wenn er will. Wutzi war zu dieser Zeit cirka zwei bis zweieinhalb Jahre alt, wusste aber schon, wie man einen alten Opa behandeln musste, um alles erreichen zu können, was man wollte. Ich war sein Diener, aber er behandelte mich gut. Ich durfte ihm Geschichten vorlesen, Märchen erzählen, Burgen bauen zum Zerstören, fußballspielen, Luftballons aufblasen und was es sonst noch an schönen Unterhaltungen gibt, alles war für Wutzi da!

So saßen wir einmal im Wohnzimmer beim Tisch. Wir malten Bilderbücher an. Ich durfte auch manchmal. Vor uns lagen mehrere Bilderbücher und eine Schachtel mit Buntstiften. Alle Farben wurden durchprobiert, um einem Zebra schöne Streifen anzumalen. Plötzlich erwischte Wutzi einen Kuli. Bevor ich es noch verhindern konnte, kritzelte er fest auf dem Plastiktischtuch. „Aber Wutzi, das darfst Du doch nicht, wenn die Omi das sieht, brummt sie mit uns!“, war mein pädagogisches Aufbäumen, worauf es Wutzi gleich nochmals versuchte. Als ich ihm darauf drohte, nicht mehr mit ihm zu spielen, griff er wieder zu den Farbstiften. Damals glaubte er mir noch.

Außerdem bereitete es ihm großes Vergnügen, mir zuzuschauen, wie ich mit Spucke und Zeigefinger versuchte, die Kritzelei vom Plastiktischtuch zu entfernen. Größtenteils gelang es mir auch und es war fast nichts mehr von der Missetat zu sehen.

Unsere liebe Omi, welche in der Zwischenzeit in der Küche für uns eine Jause gerichtet hatte, kam nun ins Wohnzimmer, sah uns friedlich beim Tisch sitzen und malen, freute sich und lobte uns über den grünen Klee.

Wutzi, der als die Omi das Wohnzimmer betrat, diese gespannt beobachtete und – als er das Lob vernahm – verkündete triumphierend: „Omi bummt nicht!“ „Was habt ihr angestellt – aha, das neue Tischtuch!“, mehr sagte sie nicht. Die Blicke genügten.

Die leisen Vorwürfe sind die treffendsten!

ReischützKinder ------------------------------------------------------------

Jenny

Libellengaukelnd war die Liebe.
Wir wollten doch, dass es so bliebe!
Nicht begehrend. Zart verehrend.

Getrennt dann, durch die Faust des Krieges.
Beseelt, auch durch den Ruhm des Sieges.
Mutwillig. Unwillig.

Dagegen war der Nornen Urteil,
sie spannen Fäden voller Unheil!
Erbarmungslos. Gnadenlos.

Niemand kennt die bitt’re Not.
Niemand weiß um Deinen Tod.
Alles schweigt. Nichts bleibt.

Keiner kennt den Ort der Ruh’,
die Erde schließt die Lippen zu.
Stille. Stille.

Ich spüre noch auf meinem Mund
den zarten Kuss zur Abschiedsstund’.
Nicht begehrend. Zart verehrend.

Nun gaukelt Deine Kinderseele
libellengleich zur Ew’keitsquelle.
Unsichtbar. Wunderbar.

Zur Erinnerung an Jenny Scherhak, ermordet im 17. Lebensjahr von den Bolschewiken im Jahre 1945.

ReischützKin Ende der Leseprobe

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