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Leseproben Anna
Spitaler
"Waldviertel, meine
Welt"
Die Lebensmittel werden knapp
Nun, die Ernte war eingebracht, das Saatgut gedroschen – nicht
vergessen, es gab noch keine Mähdrescher – und die
Wintersaat war angebaut. Ich fuhr nun mit einem Teil Weizen ins
Lagerhaus und holte mir auch unser zugeteiltes Maß Mehl. Ich nahm
meine zweite Tochter, die zwölfjährige Lore, zum Aufpassen
auf die Ochsen mit, damit ich das Geschäftliche erledigen konnte.
Wir haben am Nachhauseweg die mitgenommene Wegzehrung gegessen. Es
waren Zwetschkenknödel vorn Vortag, mit Mohn. Wir fuhren an einem
Russen-Gefangenenlager vorbei, davor stand ein Soldat Wache. Er sah
uns
essen und rief uns zu: "Kann ich auch so 'n Appel haben?", der
Aussprache nach also ein Reichsdeutscher. Ich schickte mein Mäderl
mit den Knödeln hin. Der sah sie verständnislos an, denn die
Knödel waren ja schwarz, mit Mohn bestreut, und die kannten doch
unsere gekochten Mehlspeisen nicht. Aber es war auf jeden Fall gut
gegen den Hunger. Er winkte uns noch nach zum Dank.
Nun mußten wir die Rüben ernten und die wenigen Kartoffeln
und auch Holzvorrat für den Winter einbringen. Wir sind ja im
Waldviertel. Auch mußte fertig gedroschen werden. Als wir dann
wieder mit der Kornlieferung ins Lagerhaus fuhren, war es Dezember
und
der Boden tief gefroren.
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Russen als Kriegsgefangene
Am Nachhauseweg sahen wir etwa zehn gefangene Russen mit einem
Posten
auf einem abgeernteten Kartoffelacker umwühlen, auf der Suche nach
den gefrorenen Kartoffeln, die noch zu finden waren. So groß war
schon der Hunger. Jeder hatte ein Sackerl in der Hand. Wir hatten
wieder eine Mehlspeise mit. Uns verging die Lust aufs Essen, und wir
gaben es dem Posten. Als wir uns umsahen, standen alle um den Posten
und suchten noch die Brösel auf.
Einige Tage danach fuhr ich wieder abliefern, ich nahm aber den
russischen Arbeiter mit und einen Sack Kartoffeln. Als wir vom Wald
herauskamen, sahen wir wieder die Russen auf dem Acker wühlen. Ich
deutete meinem russischen Arbeiter auf den Sack und sagte:
"Kamerad!"
Er trug den Sack hin, und alle liefen vor Freude zusammen. Auch der
Posten winkte zum Dank. Das war ein Gefühl, das kann ich nicht
beschreiben.
Ich hoffte im Stillen, vielleicht trifft mein Mann auch freundliche
Leute. Wenn ich mein Gewissen frage, habe ich ein gutes Werk getan,
doch nach Hitlers Befehl war ich ein Volksschädling, und darauf
stand die Todesstrafe. Es war eine harte Zeit.
.........
Ende der Leseprobe
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